hide random home http://hamburg.bda.de:800/bda/int/spiegel/artikel/sp36147.html (Einblicke ins Internet, 10/1995)

China

Unheilige Allianz

Die vierte Uno-Frauenkonferenz in Peking könnte ein Rückschlag werden: Der Vatikan, radikale Moslems und chinesische KP-Genossen drohen die Fortschritte der Frauenemanzipation zunichte zu machen.

Die zwei Schriftzeichen, die das Landstädtchen knapp 60 Kilometer vor Peking benennen, wo seit vergangenem Mittwoch das Frauenforum Regierungsunabhängiger Organisationen (NGO) tagt, sind ein schlechtes Omen: "Durch versöhnliche Gesten andere Nationen oder Völker unter seine Kontrolle bringen wollen", lautet die Übersetzung des Ortsnamens Huairou. Treffender, meinen viele Frauengruppen, könne man den Ungeist gar nicht beschreiben, der die größte internationale Frauen-Zusammenkunft der Geschichte bedroht.

Zwar werden bei der Uno-Frauenkonferenz in Peking Regierungsdelegationen aus über 180 Ländern eine umfangreiche Aktionsplattform verabschieden. Und neben den 6000 Offiziellen wollen auch die rund 30 000 Frauen des NGO-Forums ihre Vorstellungen in dem Uno-Papier unterbringen. Die Chancen für Fortschritt stehen schlecht - auch wenn die Gastgeber der Konferenz das Motto "Gleichheit, Entwicklung, Frieden" verpaßt haben.

Weit und breit nichts von Aufbruchstimmung. Zehn Jahre nach der Uno-Frauenkonferenz in der kenianischen Hauptstadt Nairobi sind viele Aktionspläne nur Makulatur geblieben. Eine Uno-Statistik über die Benachteiligung von Frauen belegt:

Schon auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo 1994 hat sich, so westliche Frauengruppen, eine "unheilige Allianz" gebildet: Fundamentalistische Moslems, die Diktaturen von China und Iran und der Vatikan machen nun auch in Peking gemeinsame Sache. Abgeblockt werden soll die Forderung nach einer durch Quoten festgeschriebenen Gleichberechtigung der Frauen in Beruf und Politik. Auch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und vor allem die Entscheidungsfreiheit bei Abtreibungen sollen im Abschlußdokument möglichst nicht erwähnt werden. Heftigster Streitpunkt dürfte jedoch die Frage der Menschenrechte werden. Vor allem China und Iran wollen zahlreiche Länder der Dritten Welt davon überzeugen, dies Konzept sei ein Import westlicher Industrienationen.

Die Motive der chinesischen Gastgeber sind durchsichtig. Als die KP den Vereinten Nationen 1990 anbot, die Frauenkonferenz in Peking auszutragen, hatten die Genossen vor allem ein Ziel vor Augen: Wegen des Tiananmen-Massakers vom 4. Juni 1989 international geächtet und boykottiert, buhlten sie um Anerkennung im Ausland.

"Die Regierung hat aber unterschätzt, was sie sich mit der Einladung von 30 000 radikalen Frauen auflädt", sagt die mit Schreibverbot belegte Regimekritikerin Dai Qing, die nach dem Massaker öffentlich ihren Parteiaustritt erklärte. Vor allem Premier Li Peng, der 1989 die blutige Niederschlagung der Studentenproteste lobte, muß fürchten, daß seine Regierung im eigenen Land an den Pranger gestellt wird.

Deshalb ließ er die NGO-Tagung in das Städtchen Huairou verlegen. Die Folge: Kontakt mit den offiziellen Konferenzteilnehmern, die in Pekings Norden tagen, ist kaum möglich. Die Zubringerbusse, welche die Gastgeber zugesagt haben, damit der Austausch stattfinden kann, fahren selten oder gar nicht.

China benutzt die Konferenz statt dessen zur billigen Propagandashow vor der eigenen Bevölkerung. "Freudig kommen Frauen von beiden Seiten der Taiwanstraße zusammen", lobhudelt die Volkszeitung über das NGO-Forum. In Wahrheit wurde 18 Organisationen aus dem tibetischen Exil in Nordindien und Taiwan die Einreise verweigert.

Obendrein findet das Forum im Belagerungszustand chinesischer Sicherheitskräfte statt. Lediglich der Sportplatz der Mittelschule in Huairou ist für Demonstrationen freigegeben. "Proteste, die sich gegen die chinesische Regierung richten", ließ Außenamtssprecher Chen Jian wissen, "sind ohnehin nicht erlaubt." Um den Austausch zwischen Delegierten und der chinesischen Bevölkerung zu unterbinden, verkünden KP-Kader, bei der Mehrzahl der Ausländerinnen handele es sich um "Prostituierte, Lesben, HIV-Träger".

Die meisten ausländischen Frauen zeigten sich von dem Machtgebaren unbeeindruckt. Am zweiten Tag des Forums veranstaltete die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) eine Demonstration in China - ihre Premiere. Anschließend durchsuchte ein Aufgebot der Staatssicherheit die Zimmer der ai-Delegation. "Wir sind einer permanenten Belästigung ausgesetzt", sagt ai-Sprecher Casey Kelso. "Zivilbeamte filmen uns auf Schritt und Tritt." Doch der Alptraum der KP-Greise wollte nicht enden: Einen Tag später protestierte auch eine Gruppe von Exiltibetern aus den USA gegen die Unterdrückung ihrer Landsleute.

DER SPIEGEL 36/1995 - Vervielfältigung nur mit Genehmigung des SPIEGEL-Verlags

[[ Unarchived form element ]]