hide random home http://www.bayern.de/Politik/Regierungserklaerungen/1994-12-08/kap5.html (Einblicke ins Internet, 10/1995)

5. Mut zum schlanken und dynamischen Staat

Nicht nur Wirtschaft und Gesellschaft, auch der Staat steht im internationalen Wettbewerb.

Unser langwieriges Verwaltungs- und kompliziertes Rechtssystem ist ein gewichtiger Wettbewerbsnachteil geworden. Wir brauchen eine noch effektivere, wirtschaftlichere und kostenbewußtere Verwaltung. Wir brauchen Mut zu einem schlanken und dynamischen Staat!

Verwaltungsreform

Mit der Verwaltungsreform, haben wir in der letzten Legislaturperiode begonnen. Wir haben vor allem

Dynamisierungskur für den Staat

Diese "Dynamisierungskur" für unseren Staat werden wir fortsetzen

Wie im neuen Baurecht müssen wir dazu kommen, daß Unternehmer mehr Verantwortung bei der Planung, beim Bau und beim Betrieb von Anlagen übernehmen. An der Sicherheit darf es keine Abstriche geben. Der Betreiber muß die Einhaltung von gesetzlichen Normen und Standards nachweisen und dafür haften. Die Wege und Methoden, mit denen dies erreicht wird, geben wir stärker in seine Verantwortung.

Es darf nicht länger Aufgabe der Behörden sein, die Planung detailliert vorzuschreiben und detailliert nachzuprüfen.

Aufgaben abbauen

Der Abbau von Aufgaben wird in folgenden Bereichen in Bayern fortgeführt:

Wir brauchen eine grundlegende Reform der Planungs- und Genehmigungsverfahren für alle Investitionsvorhaben. Wir orientieren uns dabei an Ländern wie Frankreich und den USA, denen man sicher keinen Mangel an Rechtsstaatlichkeit nachsagen kann. Deshalb streben wir an

Wir müssen wegkommen von der obrigkeitsstaatlichen Stempelgläubigkeit.

    Baugenehmigungsverfahren

  1. Wir vereinfachen das Baurecht weiter. Mit der Einführung des Freistellungsverfahrens sowie des Vereinfachten Genehmigungsverfahrens haben wir bundesweit die Reform des Baugenehmigungsverfahrens angestoßen. Andere Länder ziehen nach.

    Damit das voll greift, brauchen wir die Unterstützung der Kommunen. Wir erwarten, daß sie von immer detaillierteren Bebauungsplänen abrücken und den Bauherren mehr Gestaltungsfreiheit lassen.

    Überprüfung von Behörden

  2. Wir stellen Aufgaben und Strukturen von Sonderbehörden auf den Prüfstand, so z. B. die Eichverwaltung, Gewerbeaufsicht, Versorgungsverwaltung, Landesanwaltschaft sowie die Direktionen für ländliche Entwicklung. Dazu werden wir uns auch der Untersuchungen externer Wirtschaftsberatungsunternehmen bedienen.

    Staatsforstverwaltung

  3. Wir werden die Staatsforstverwaltung organisatorisch straffen, konsequent unternehmerisch ausrichten und privatwirtschaftliche Prinzipien einführen.

    Privatisierung

  4. Die bayerische Privatisierungsoffensive geht weiter. Wir werden weitere Beteiligungen an Unternehmen, vor allem im Energiebereich, veräußern.

Verwaltungsverfahren vereinfachen

Weiter werden wir vor allem Verwaltungsverfahren und Organisationsabläufe straffen und kürzen:

    Raumordnung und Regionalplanung

  1. Wir werden die Raumordnung und Regionalplanung straffen und neu strukturieren. Die Verfahren zur Aufstellung und Fortschreibung der Regionalpläne müssen vereinfacht und beschleunigt werden.

    Förderwesen

  2. Das heutige "Förderdickicht" wollen wir rigoros lichten - zur Kostensenkung ebenso wie zum Nutzen der Geförderten. Vor allem die Kommunen sollen in Zukunft grundsätzlich pauschale Förderungen erhalten. Aufwendige Verwendungsnachweise werden durch Verwendungsbestätigungen ersetzt. Der Kontrollaufwand darf nicht kostspieliger sein als die Fördermittel, um die es geht.

    Experimentierklausel

  3. Wir werden in den Behörden Aufgaben delegieren und betriebswirtschaftliches Handeln stärken. Verwaltungen müssen ähnlich wirtschaften können wie Privatunternehmen. Wir werden dazu im Haushalt eine "Experimentierklausel" vorschlagen, die Modellvorhaben für dezentrale Budgetverwaltung und flexiblen Mitteleinsatz in Behörden ermöglichen soll.

  4. Wir werden das überzogene Statistik-, Erhebungs- und Dokumentationswesen stark reduzieren.

    Personal reduzieren

  5. Der Abbau von Aufgaben versetzt uns in die Lage, Personal weiter zu reduzieren.

    Ich greife hier bewußt die Kritik des Obersten Rechnungshofs auf, der der Staatskanzlei und den Ministerien in seinem Jahresbericht 1994 überproportionale Stellenmehrungen bis zu 28 % im Vergleichszeitraum 1973 bis 1993 vorhält. Ebenso wie beim Obersten Rechnungshof - er hat in der gleichen Zeit seine Stellen um mehr als 25 % vermehrt -, richtet sich auch in den Ministerien der Personalbedarf nach dem Arbeitsanfall. Wer hier nur Stellen zählt, ohne sie zu Aufgaben in Beziehung zu setzen, führt die Öffentlichkeit in die Irre.

    Ich werde immer mehr aufgefordert, auch aus diesem Hause, Einzelfälle zur Chefsache zu machen und sie selbst oder mit eigenen Mitarbeitern zu erledigen. Dafür nenne ich nur drei Beispiele:

    Dennoch baut die Staatsregierung auch in den Ministerien und der Staatskanzlei Personal ab. Wir haben festgelegt, daß 5 % aller Stelleneinsparungen in Staatskanzlei und Ministerien zu erbringen sind.

    Bereits im letzten Jahr haben wir das ursprüngliche Einsparungsziel von 3 000 Stellen bis 1997 um 600 Stellen erhöht. Wir gehen jetzt noch weiter: Wir werden nochmals 600 Stellen bis 1997 einsparen, d. h. insgesamt 4 200. Soweit im Haushalt 1995/96 neue Stellen vorgesehen sind, werden diese woanders eingespart.

    Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich bin gespannt, ob Sie diese drastischen Stelleneinsparungen und Reduzierungen von Ämtern mittragen. Die Brandbriefe, die ich auch von Ihnen erhalte, stimmen mich eher pessimistisch.

    Gerade angesichts der heute üblichen pauschalen Bürokratenschelte möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Freistaates Bayern für ihren Einsatz danken. Ohne ihr Engagement ist jede Reform des öffentlichen Dienstes zum Scheitern verurteilt.

Mitarbeiter motivieren, Ausstattung verbessern

Zur Steigerung der Motivation der Mitarbeiter und zur Verbesserung der Ausstattung im öffentlichen wollen wir folgende Maßnahmen verwirklichen:

    Behördennetz

  1. Wir werden für Behörden ein modernes Informations- und Kommunikationsnetz aufbauen.

    Unternehmenskultur

  2. Wir wollen auch in der Verwaltung eine neue Unternehmenskultur entwickeln. Wir brauchen einen öffentlichen Dienst, der hochmotiviert, flexibel und leistungsfähig ist. Dazu gehört Identifikationsbereitschaft. Dazu müssen die Angehörigen des öffentlichen Dienstes ermutigt werden.
    Unsere Ziele sind deshalb: mehr Entscheidungsspielraum, mehr Fortbildung, mehr Mitgestaltung und mehr Mitwirkung.

    Dienstrechtsform

  3. Wir wollen eine Reform des öffentlichen Dienstrechts. Wer bessere Leistungen erbringt, soll besser bezahlt werden und schneller aufsteigen können.

Verwaltungsreform im Bund in Angriff nehmen

Bayern ist der Motor für Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung auch im Bund. Dabei haben wir erste Erfolge erzielt. Einen besonderen Dank richte ich in diesem Zusammenhang an die CSU-Fraktion und Alois Glück. Von ihnen gingen wesentliche Initiativen aus.

Justizreform

Ein ähnlicher, ebenso notwendiger Durchbruch im Bereich der Justiz ist dringend erforderlich. Die Bundesregierung muß hier eine grundlegende Reform in Angriff nehmen. Wir haben in Deutschland die weltweit höchste Richterdichte. Trotzdem gehören unsere Gerichtsverfahren zu den längsten in Europa. Straftäter können ihre Verurteilung oft jahrelang hinauszögern.

Hochschulen effizienter machen

Fortschritt und Mut zu Neuem brauchen wir auch, wo es um die Förderung des "Rohstoffes Geist" geht.

Öffentlich-rechtlichen Rundfunk reformieren

Auch in der Medienpolitik müssen wir im Hinblick auf die Wettbewerbssituation Strukturen überprüfen und aufbrechen. Rundfunkgebühren sind nicht beliebig steigerbar!

Vor einem Jahrzehnt haben wir gegen den erbitterten Widerstand der SPD das duale Rundfunksystem und den Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen Anstalten und privaten Programmanbietern durchgesetzt.

Damit haben wir Bayern zum erstklassigen Medienstandort gemacht.

Inzwischen versuchen auch jene, die früher gegen unsere Medienpolitik waren, unseren Erfolg zu kopieren - wie z. B. in Nordrhein-Westfalen. Zu diesem dualen System mit seiner Vielfalt bekennen wir uns nach wie vor!

Heute geht es wieder um grundlegende Reformen. Wer sich ihnen verweigert, gefährdet den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und treibt die ARD in eine Existenzkrise. Mit meiner Rede anläßlich der Münchner Medientage habe ich die grundlegenden Fragen gestellt, Konsequenzen aufgezeigt und damit natürlich auch an Besitzständen gerüttelt. Widerspruch hatte ich erwartet, und ich freue mich über die lebhafte Diskussion. Wem es ernsthaft um Reform und Finanzierbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Erhaltung des dualen Systems geht, muß sich dieser Diskussion stellen.

Die Wettbewerbsfähigkeit der Medienunternehmen in Bayern und Deutschland darf nicht länger durch ein engmaschiges Netz von Vorschriften behindert werden - sonst treibt man sie ins Ausland. Deshalb wollen wir den Rundfunkstaatsvertrag ändern. Wir bleiben Vorreiter für die Zukunftsbranche Medien.

Dies alles - vom Baurecht bis zur Medienpolitik - erfordert Mut zu Neuem. Bei aller Notwendigkeit zur Dynamik gibt es Säulen der Stabilität, die wir nicht antasten dürfen.

Innere Sicherheit gewährleisten

Eine elementare klassische Aufgabe des Staates ist die Gewährleistung der inneren Sicherheit. Was zur Sicherung des inneren Friedens notwendig ist, kann nicht zur Disposition stehen.

Deshalb bleibt es dabei: Wir werden unsere konsequente und bewährte Sicherheitspolitik fortsetzen.

Die Aufgaben unserer Polizei haben sich quantitativ und qualitativ verändert. Internationale Organisierte Kriminalität bedroht zunehmend Staat und Gesellschaft. Trotzdem ist Bayern nach wie vor das sicherste Land in der Bundesrepublik mit der bundesweit höchsten Aufklärungsquote von über 61%.

Das ist das Verdienst der bayerischen Polizei, der ich für die erfolgreiche Arbeit besonders danke.

Wir werden in dieser Legislaturperiode unsere Anstrengungen zur Stärkung der inneren Sicherheit fortführen:

Kommunen stärken

Dynamischer Staat, effiziente Verwaltung, klare Entscheidungsstrukturen - das setzt auch sinnvolle Kompetenzzuordnungen zwischen den kommunalen Ebenen und den Ländern sowie den Ländern und der Europäischen Union voraus. Subsidiarität und Dezentralisierung sind dabei unsere Maßstäbe.

Dem tragen wir auch bei der Finanzausstattung der Kommunen Rechnung. Wir haben die bundesweit niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung und die höchste Investitionsquote. Das gibt uns Gestaltungsspielräume, um die uns andere Länder beneiden und von denen auch unsere Kommunen profitieren.

Trotz der erforderlichen Einsparungen und trotz der Beteiligung der Kommunen an den Lasten der deutschen Einheit werden auch 1995 die Landesleistungen im kommunalen Finanzausgleich überdurchschnittlich um über 2 % steigen.

Bei der Gemeindefinanzreform werden wir uns mit den Kommunen eng abstimmen. Der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und einer Absenkung der Gewerbeertragssteuer werden wir nur zustimmen, wenn die Kommunen einen gerechten Ausgleich erhalten. Das Eigeninteresse der Kommunen an Industrie- und Gewerbeansiedlungen muß erhalten bleiben.

Bürgernahe Europapolitik durchsetzen

Die enge Verzahnung unserer Wirtschaft mit den europäischen Märkten und die vielfältigen politischen Wechselbeziehungen fordern klarere Strukturen in Europa.

Die Staatsregierung hat von Anfang an eine bürgernahe Europapolitik vertreten. Dafür wurden wir als rückständig kritisiert. Wir haben auf Subsidiarität und Dezentralisierung gesetzt. Das ist heute Allgemeingut. Das unterscheidet uns von den zentralistischen Europa-Utopien der SPD. Heute weiß jeder, daß sich das Europa der 15 nur mit Strukturen der Subsidiarität bauen läßt. Deshalb freuen wir uns über den EU-Beitritt unseres föderalen Nachbarn Österreich.

Unsere europapolitischen Eckpunkte sind:

  1. Wir müssen Europa in die Lage versetzen, den großen Herausforderungen wirksam zu begegnen. Wir müssen Europa mehr Zuständigkeiten geben in der Außen- und Sicherheitspolitik, bei der Bewältigung der Asyl- und Flüchtlingspolitik und bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens.

  2. Wir müssen aus Europa Aufgaben zurückholen, die wir in den einzelnen Mitgliedstaaten oder den Regionen selbst erledigen können.

  3. Die Reformstaaten Mittel- und Osteuropas wollen wir an die Europäische Union heranführen. Sie müssen Vorrang haben vor den Anrainerstaaten des südlichen Mittelmeers. Was auf dem "Essener Gipfel" jetzt beschlossen werden soll, ist nichts anderes als die Teilmitgliedschaft, die ich bereits im Oktober letzten Jahres gefordert habe.

    Unsere Partnerschaftsverhältnisse, z. B. mit der Tschechischen Republik, Ungarn, der Slowakei oder Slowenien dienen der Stabilität in Europa. Gerade um der aufrichtigen Aussöhnung willen sind wir auch in Zukunft als Schirmland der Anwalt der Sudetendeutschen.

  4. Wir müssen langfristig die finanziellen Lasten in Europa gerechter verteilen. Deutschland ist nach der Wiedervereinigung im Wohlstandsvergleich in das EU-Mittelfeld zurückgefallen. Deshalb können wir nicht auf Dauer 70% aller Netto-Beiträge in den Gemeinschaftshaushalt leisten.

    Bei der Regierungskonferenz 1996 muß ein neues Finanzierungssystem auf den Weg gebracht werden.

  5. Wir brauchen eine Reform der inneren Strukturen in der Europäischen Union. Die Gemeinschaft muß bürgernäher und demokratischer werden. Transparentere Entscheidungsverfahren und eine klare Aufgabenabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten stehen für uns dabei im Vordergrund. Wir setzen auf Subsidiarität, nicht auf einen Bundesstaat Europa. Wie haben Sie von der Opposition noch vor einem Jahr darüber laut aufgeheult! Nach Ihren Ergebnissen bei der Europawahl trotten Sie heute still hinter uns her.

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