hide random home http://www.fmi.uni-passau.de/~angela/VDI_Rili3633_1.html (Einblicke ins Internet, 10/1995)

Der Babelfisch

Vereinheitlichung und Standardisierung der Begriffswelt in der Simulation


Der Babelfisch ist ein kleiner gelber Fisch, den man sich ins Ohr stecken kann und der dann als Simultanübersetzer fungiert. Dieser Fisch existiert leider nur in der Phantasie von Douglas Adams, dem Autoren von "Per Anhalter durch die Galaxis". Das ist sehr schade, denn er könnte anderenfalls auch bei Gesprächen von Simulanten verschiedener Schulen als Dolmetscher dienen, da diese zwar häufig ähnliche Begriffe verwenden, sie aber jeweils mit unterschiedlichen Bedeutungen belegen. Das Fehlen des Babelfisches soll nun durch die Herausgabe eines VDI-Richtlinien-Blattes kompensiert werden, das alle simulationsrelevanten Begriffe erklärt und einheitlich festlegt.

1. Simulationsgeschichte

Simulation beschränkt sich nicht auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet. Sie ist eine fachübergreifende Disziplin, da Modelluntersuchungen mit Hilfe der Simulation in nahezu allen empirischen Wissenschaften durchgeführt werden, z.B. in der Fertigungstechnik, in der Betriebs- und Volkswirtschaft, in der Biologie, in der Medizin, in der Automobil- und Flugzeugtechnik usw.

In Analogie zum Turmbau zu Babel begannen die Entwickler aus den verschiedensten Fachbereichen Simulationswerkzeuge zu konzipieren. Jeder versuchte hinsichtlich seines Anwendungsgebietes oder allgemein, das beste und schönste Simulationswerkzeug zu entwickeln.

In dieser dreißigjährigen Aufbauphase arbeiteten die Entwickler nur im äußersten Notfall zusammen. Die Folge war nicht nur eine Vielzahl von Simulationswerkzeugen, sondern auch die Auseinanderentwicklung der Begriffswelten.

2. Sprachverwirrung

Nun besteht allerdings seit einiger Zeit der Wille zur Zusammenarbeit, zur Diskussion und zum wissenschaftlichen Gedankenaustausch. Plötzlich stellte man fest, daß dies gar nicht so einfach ist. Es kam zu langandauernden Diskussionen und Mißverständnissen, da niemand den anderen so recht verstand. Zwar sprachen alle Leute eine Sprache, d. h. sie verwendeten häufig die gleichen Worte, doch sie verstanden darunter teilweise ganz unterschiedliche Dinge.

Als ein Beispiel von vielen möchte ich hier das Wort "Simulationsexperiment" anführen. Einige Leute verstehen hierunter einen Simulationslauf. Man untersucht beispielsweise, welche Einfluß die Änderung der Puffergröße von 4 auf 5 auf einen kleinen Fertigungsbereich hat. Nun ist es aber so, daß häufig stochastische Simulation betrieben wird, Simulation also, bei der auch der Zufall eine Rolle spielt. Wenn in dem obigen Beispiel zufällige Bearbeitungszeiten vorlägen, so müßte man mehrere Simulationsläufe durchführen, um eine statistisch abgesicherte Aussage über die Folgen der Puffervergrößerung zu erhalten. Es ist daher sinnvoll, die Simulationsläufe, die dazu dienen einen bestimmten Sachverhalt zu untersuchen als ein Experiment zu bezeichnen. Eine Simulationsstudie enthält also mehrere Experimente (Pufferdimensionierung, Maschinenanzahl usw.) und jedes Experiment wiederum mehrere Simulationsläufe.



3. "Begriffswelt"

Im Rahmen der VDI-Richtlinie 3633 entsteht zur Zeit ein neues Blatt, das Blatt 6 "Begriffswelt". Es hat die Aufgabe die Begriffe, die in der Simulation auftreten, insbesondere im Bereich der Fertigungssimulation, zu erklären.

Das Blatt wird von einem Arbeitskreis erstellt, dessen Leitung mir übertragen wurde. Als Mitglieder des Arbeitskreises konnte ich sowohl Simulationsentwickler, als auch -dienstleister sowie Anwender aus der Industrie gewinnen, so daß die Vertretung aller Interessen gewährleistet werden kann.

Das Blatt soll insbesondere dazu beitragen die Kommunikation zwischen Anwender und Anbieter von Simulationssoftware oder -dienstleistungen zu vereinfachen. Stehen hinter den Begriffen die gleichen Bedeutungen, so sind auch Vergleiche zwischen verschiedenen Simulationssystemen einfacher möglich.

Die Vereinheitlichung der Begriffswelt war ein dringendes Anliegen sowohl der Anwender als auch der Entwickler und ich bin zuversichtlich, daß das Blatt 6 der VDI-Richtlinie 3633 diese Funktion erfüllen wird.

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