http://www.kulturbox.de/christo/vparla/german/ (Einblicke ins Internet, ~06/1995)
Das virtuelle Parlament
Die Verhüllung des Reichstags durch die Aktionskünstler Christo
und Jeanne-Claude ist ein Politikum. Seit 1972 haben die Künstler mit
ihrem Team versucht, ihre Projektidee umzusetzen. Die Entscheidung des
Deutschen Bundestages vom 25. Februar 1994 ermöglichte schließlich
die Reichstagsverhüllung. Der lange Weg von der Idee bis zur
Realisierung des Projekts im Juni 1995 ist zugleich ein Lehrstück zum
Verhältnis von Politik und Kunst.
Das Projekt von Christo und Jeanne-Claudes ist ein öffentliches
Kunstereignis, zu dem als unverzichtbarer Bestandteil die öffentliche
Debatte über Sinn und Bedeutung ihres Werkes gehört. Die
Verhüllung des Reichstags bietet jedoch auch umgekehrt vielfältigen
Anlaß, um über die Geschichte der deutschen parlamentarischen
Demokratie und die Bedeutung von politischen Symbolen für die
Identität der Deutschen nachzudenken.
Nicht zufällig erhielten Christo und Jeanne-Claude erst nach 1989
die politische Zustimmung für ihr Vorhaben. Seit der deutschen Einheit
steht die Verhüllung des Reichstags im Kontext der Hauptstadtdiskussion
und verbindet den Blick zurück auf die deutsche Demokratiegeschichte
mit dem Blick nach vorn auf die zukünftige Entwicklung, auf
Selbstverständnis und Außendarstellung des wiedervereinten
Deutschland - eine Entwicklung, die gerade im Ausland aufmerksam verfolgt wird.
Um die Bundestagsdebatte über die Reichstagsverhüllung wieder in
Erinnerung zu rufen und angesichts der realen Verhüllung
fortzuführen, haben wir das virtuelle Parlament eröffnet.
Zum virtuellen Parlament gehören zwei Einrichtungen:
-
Die parlamentarische Debatte.
Alle Bürger des Internets können hier ihre Meinung zur
Reichstagsverhüllung äußern und ihre Stimme für oder
gegen die Verhüllung abgeben. Die abgegebenen Stimmen werden fortlaufend
gezählt.
- Moderierte Foren
zu politischen, ästhetischen und
philosophischen Aspekten der Reichstagsverhüllung. Um inhaltliche
Anstöße für diese Foren zu liefern, haben wir Beiträge
von prominenten Politikern, Wissenschaftlern und Literaten eingeworben.
Jeder, der will, kann einen Kommentar zu den Texten abgeben oder einen
eigenen Beitrag verfassen.
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