In der morgigen Ausgabe der Braunschweiger Zeitung erscheint die folgende Kolumne des SPD- Bundesgeschäftsführers Günter Verheugen:
Deutschland steuert auf eine Lehrstellenkatatstrophe zu. In
Ostdeutschland findet nur jeder dritte Jugendliche einen
Ausbildungsplatz. Auch in Westdeutschland fehlen tausende
Lehrstellen. 15 Prozent eines Altersjahrgangs bleiben ohne
qualifizierte Berufsaussbildung. Angesichts des Fehlens von tausenden
Ausbildungsplätzen kann von der Möglichkeit der freien
Berufswahl für junge Menschen ernsthaft kaum noch gesprochen
werden. Doch die Bundesregierung beschränkt sich auf folgenlose
Appelle und leere Versprechungen. Dadurch verspielt sie die
Lebenschancen ungezählter junger Menschen.Die Kohl- Regierung hat
nichts unternommen, um die gemeinsamen Beschlüsse mit den
Ländern, Gewerkschaften und Arbeitgebern zur Verbesserung der
Ausbildungssituation zu verwirklichen. Der Bund hat als
öffentlicher Arbeitgeber eine besondere Vorbildfunktion
gegenüber der Wirtschaft. Wenn er seiner eigenen Verantwortung
für die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen nicht gerecht
wird, verlieren seine Appelle an die Wirtschaft jede
Glaubwürdigkeit. Die Wirtschaft hat ihre Zusagen zur Schaffung
ausreichender Ausbildungsplätze nicht eingehalten. Es kann nicht
hingenommen werden, daß die Arbeitgeber ihrer Ausbildungspflicht
immer weniger gerecht werden und stattdessen die Kosten für
Ausbildung auf den Staat abwälzen. Es liegt im ureigenen
Interesse der Wirtschaft, ihren Fachkräftenachwuchs zu
sichern. Wer ständig behauptet, die Interessen der Wirtschaft
seien am besten bei der Wirtschaft selbst aufgehoben, der muß
sich fragen lassen, wie er es verantworten kann, daß in
Westdeutschland innerhalb von nur zwei Jahren fast jeder sechste
Ausbildungsplatz gestrichen wurde. Bildung und Ausbildung sind
entscheidende Wirtschaftsfaktoren. In unserem rohstoffarmen Land sind
die Kenntnisse und Fähigkeiten der Menschen die wichtigste
Ressource unserer Wirtschaftskraft. Die Krise im Berufsbildungswesen,
verursacht durch die Untätigkeit der Bundesregierung und der
Arbeitgeber, gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland. Es
ist jetzt eine grundlegende Reform der - Seite 2 - Berufsausbildung
notwendig. So müssen ausbildungswillige Betriebe endlich
unterstützt werden. Es müssen Anreize für Unternehmen
und Verwaltungen geschaffen werden, Lehrstellen bereit zu
stellen. Dazu können beispielsweise Steuererleichterungen
gehören. Umgekehrt muß überlegt werden, inwieweit
Unternehmen, die sich der Ausbildungsverpflichtung verweigern und
diese der Konkurrenz oder dem Staat überlassen, durch eine
Ausbildungsplatzabgabe an der Schaffung von Lehrstellen beteiligt
werden. Die Lehrstellenlücke in den neuen Ländern soll -
befristet bis zum Jahr 2000 - durch die Bereitstellung
außerbetrieblicher Ausbildungsplätze geschlossen
werden. Mädchen und junge Frauen müssen speziell und
verstärkt gefördert werden. Fach- und Berufsschulen
müssen gezielt ausgebaut und modernisiert werden. Statt frommer
Wünsche und leerer Versprechungen sind jetzt wirksame
Maßnahmen zur Schaffung von Lehrstellen nötig. Die SPD hat
dazu mit ihrem Maßnahmenkatalog ihre Bereitschaft und Kompetenz
bewiesen. Nun ist die Bundesregierung gefordert.
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