hide random home http://www.urz.uni-heidelberg.de/uni/rech/A/I/2 (Einblicke ins Internet, 10/1995)
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2. Hochschulfinanzierung

2.1 Das Diktat der leeren Kassen
Die Hochschulfinanzierung war schon im Haushaltsjahr 1994 durch den rezessionsbedingten Rückgang des Steueraufkommens geprägt, was sich in einer Reihe von Kürzungen, Stellensperren und in der Anhebung der globalen Minderausgabe schmerzhaft bemerkbar machte (vgl. näher B V 1). Die Entwicklung erfährt im Doppelhaushalt 1995/96 noch eine Verschärfung, da hier zu den temporären, auf das laufende Haushaltsjahr beschränkten Kürzungen eine auf Dauer wirksame Senkung der meisten Haushaltsansätze um 5% hinzukommt und da vor allem auch in dem ohnehin seit Jahren unzureichenden Investitionshaushalt weitere drastische Einschränkungen eintreten, die sich auf deutlich mehr als 30% der disponiblen Investitionsmittel im Vergleich zum Vorjahr belaufen (dazu vgl. B V 2). Zwar ist unverkennbar, daß sich die Situation der Universitäten in Baden-Württemberg auch heute noch günstiger darstellt als in der Mehrzahl der anderen Bundesländer. Dazu trägt nicht zuletzt das Universitätskonsolidierungsprogramm aus dem Jahr 1992 bei; trotz der auch hier gemachten Abstriche wirkt es als eine Art Puffer gegenüber den alle Ressorts treffenden, jedoch für die Hochschulen besonders schmerzhaften und an die Substanz gehenden Haushaltskürzungen. Dieser relative Vorteil ändert aber nichts daran, daß die eingetretenen Restriktionen sich für zentrale Teile des Universitätsgeschehens, darunter die Ausstattung der Bibliotheken, die Einrichtung studienbegleitender Tutorien sowie die Wettbewerbsfähigkeit bei Berufungen und Erhaltungen, besonders bedrohlich auswirken.

Eine Besserung dieses Zustands ist angesichts neuer Belastungen der öffentlichen Haushalte auch mittelfristig kaum in Sicht. Selbst wenn es gelingt, in die künftigen Beratungen des Landeshaushalts das öffentliche Interesse an leistungsfähigen Hochschulen stärker als im jetzigen Doppelhaushalt einzubringen, ist doch schon viel gewonnen, wenn die Universitäten wieder das Finanzniveau von Anfang der 90er Jahre erreichen. Insbesondere kann mit einem Kapazitätsausbau zur Beseitigung der Überlast auf absehbare Zeit ernsthaft nicht gerechnet werden. Im Gegenteil besteht die Gefahr, daß es im Zuge des von der Politik verfolgten Ziels, die Kapazität der Fachhochschulen auf 40% der Studienplätze auszubauen, zur Umwidmung von Ressourcen der Universitäten zugunsten der Fachhochschulen kommt. Ein erster Schritt auf diesem - für die Universitäten aus einer Vielzahl von Gründen inakzeptablen, auch angesichts des sachnotwendig beschränkten Fächerspektrums der Fachhochschulen bildungspolitisch falschen - Weg steht gegenwärtig in Baden-Württemberg bevor, da der Minister für Wissenschaft und Forschung beabsichtigt, Teile von zwei zentral bewirtschafteten Stellenpools aus dem Universitätskapitel zugunsten der Fachhochschulen umzuwidmen, um damit den aus regionalpolitischen Gründen gewünschten Ausbau ihrer Außenstellen zu betreiben. Die Universitäten des Landes werden sich derartigen Entwicklungen mit allen Mitteln entgegenstellen.
2.2 Fachentwicklungsplanung
Leere Kassen und die Entschlossenheit des Landes, neues Personal auf absehbare Zeit nur gegen Wegfall vorhandener Stellen zu bewilligen, machen eine Überprüfung des vorhandenen Bestands auf Möglichkeiten der Konzentration und Umschichtung unabdingbar. Wenn von der Wirtschaft nicht nur in Zeiten der Rezession als selbstverständlich erwartet wird, daß überhöhte Kapazitäten abgebaut und unrentabel gewordene Anlagen geschlossen werden, können sich - in den Grenzen des öffentlichen Dienstrechts - auch die Hochschulen nicht der Notwendigkeit verschließen, nach Möglichkeiten der Fächerkonzentration zu suchen und dabei freizusetzende Ressourcen für neue Aufgaben umzuwidmen. Nur auf diesem Weg wird es ihnen künftig auch möglich sein, neue Fragestellungen aufzugreifen, zukunftsträchtige Disziplinen neu zu etablieren oder auszubauen oder sonstige Fragen der Strukturentwicklung zu lösen. Die notwendigen Ressourcen hierfür können nicht vom Land erwartet werden, sondern sind durch Umschichtungen im Universitätsetat bereitzustellen.

Die Hochschulen tun sich bei solchen für sie ungewohnten Entscheidungen derzeit noch schwer. Angesprochen ist in erster Linie die Fakultätsebene; auf ihr ist erfahrungsgemäß ein Konsens über den Ausbau bestimmter (Teil-)Fächer schon dann nicht leicht zu erzielen, wenn dieser ohne Kürzungen an anderer Stelle realisierbar ist. Eine Einigung über die Umwidmung vorhandener Ressourcen innerhalb einer Fakultät oder gar die Zustimmung zur Abgabe von Ressourcen an andere Teile der Universität ist derzeit nur schwer vorstellbar, und selbst soweit Beschlüsse dieses Inhalts auf der Ebene des Verwaltungsrats gefaßt wurden, sind sie bisher auf erhebliche Akzeptanzprobleme gestoßen. Gleichwohl führt künftig kein Weg an dieser als Herausforderung zu begreifenden Aufgabe vorbei, wenn die Hochschulen nicht auf dem gegenwärtigen Stand stagnieren wollen. Deshalb sind Rektorat und Verwaltungsrat der Universität Heidelberg in neuerer Zeit auch entschlossener als früher dazu übergegangen, beim Freiwerden von Lehrstühlen deren Ausstattung zunächst einzuziehen und die Notwendigkeit einer Wiederzuweisung des Lehrstuhls, ggf. unter Verminderung der Ausstattung, in jedem Einzelfall genau zu prüfen (vgl. unter B IV 3).

Unterstützung bei den notwendigen Maßnahmen der Fachentwicklung und Fächerkonzentration ist nicht zuletzt von einem koordinierten Vorgehen auf regionaler oder Landesebene unter Heranziehung auswärtiger Experten zu erwarten. Die Landesrektorenkonferenz hat deshalb einen Ausschuß "Fachentwicklungsplanung" eingesetzt und beauftragt, mit ersten, fachspezifisch oder regional begrenzten Untersuchungen Erfahrungen zu sammeln. Ausgewählt wurden hierfür die Fächer Chemie und Romanistik, für die die Universitäten des Landes um Zusammenstellung der relevanten Daten gebeten worden sind; die Auswertung soll im Laufe des Jahres 1995 erfolgen. Eine zweite vom Ausschuß angestoßene Untersuchung bezieht sich auf Möglichkeiten der Fächerkonzentration zwischen nahe benachbarten Universitäten. Insoweit ist an Untersuchungen für die Bereiche Heidelberg/Mannheim und Stuttgart/Hohenheim, Tübingen gedacht; Erfahrungen liegen noch nicht vor.
2.3 Ergänzende Finanzierungsquellen (Drittmittel; Studiengebühren)
Die Lage der öffentlichen Haushalte und die durch die verbreitete Überlast erhöhte Schwierigkeit, in einem ins Gewicht fallenden Ausmaß zur Umwidmung von Ressourcen zu kommen, machen es unverzichtbar, nach ergänzenden Finanzierungsquellen zu suchen. Eine dieser Quellen bildet die Einwerbung sog. Drittmittel bei Forschungsförderungsinstitutionen, Ministerien, Wirtschaft und Verwaltung. Sie wird schon seit Jahrzehnten mit wachsendem Erfolg praktiziert und hat etwa in Heidelberg dazu geführt, daß inzwischen nicht weniger als 25% des Universitätshaushalts (ohne Medizin) aus Drittmitteln finanziert werden (vgl. dazu B II 1). Ohne diese Zusatzfinanzierung ließe sich insbesondere in den Naturwissenschaften Forschung nur noch in bescheidenen Dimensionen betreiben, Spitzenforschung in experimentellen Fächern wäre ausgeschlossen. Und selbst die Lehre wird durch die Drittmitteleinwerbung begünstigt, weil die auf diese Weise finanzierten Wissenschaftler auch Lehraufgaben übernehmen und sich an der Betreuung von Diplomanden beteiligen. Erwünschter Nebeneffekt der Drittmitteleinwerbung ist die in der Prüfung der Finanzierungsanträge liegende, den Qualitätswettbewerb fördernde Evaluation. Er läßt den mit dem Antragswesen unvermeidlich verbundenen, z.T. erheblichen Zeitaufwand bei den Antragstellern, aber auch bei den Gutachtern in einem nicht nur negativen Licht erscheinen.

Im Unterschied zur Drittmitteleinwerbung wird die Einführung von Studiengebühren als ergänzende Finanzierungsquelle nicht nur unter Studierenden, sondern auch im Lehrkörper, in den Universitätsleitungen und unter Hochschulpolitikern nach wie vor kontrovers beurteilt. Zwar besteht unter Befürwortern wie Gegnern solcher Gebühren Einigung darüber, daß sie keinesfalls einen sozialen N.C. zur Folge haben dürfen und daher mit großzügigen, über die Bafög- Grenzen deutlich hinausgehenden Befreiungstatbeständen verbunden werden müssen. Darüber, ob von der Einführung von Studiengebühren ein ins Gewicht fallender, den Hochschulen auf Dauer verbleibender finanzieller Beitrag zur Verbesserung der Studienbedingungen zu erwarten ist, gehen die Ansichten jedoch deutlich auseinander. Auch betonen die Gegner den hohen ideellen Wert des staatlichen Bildungsangebots, mit dem sich Studiengebühren nicht vertrügen, während die Befürworter auf den voraussichtlichen positiven Effekt von Studiengebühren für die Qualität von Studium und Lehre (vgl. dazu unter A I 5.3) verweisen. Es ist das Verdienst eines gemeinsamen Beschlusses der Rektorenkonferenzen von Baden-Württemberg und Bayern vom Oktober 1994 über das pro und contra solcher Gebühren und über die bei ihrer Einführung einzuhaltenden Rahmenbedingungen, die Diskussion versachlicht und auf eine neue Grundlage gestellt zu haben. Aufgabe der Hochschul- und Haushaltspolitiker sollte es nun sein, die Frage aufzugreifen und hierzu unter Berücksichtigung der verbreiteten ausländischen Erfahrungen in einer nicht an wahltaktischen Erwägungen ausgerichteten, verantwortungsbewußten Weise Stellung zu beziehen.