hide random home http://www.urz.uni-heidelberg.de/uni/rech/A/I/4 (Einblicke ins Internet, 10/1995)
Other archives: einblicke

4. Vermehrter Qualitätswettbewerb im Hochschulbereich

4.1 Überblick
Auch wenn die Autonomiespielräume der deutschen Universitäten angesichts des weitgehenden staatlichen Einflusses auf ihre Organisation und Finanzierung begrenzt sind und wenn insbesondere der Vergleich mit den USA auf diesem Gebiet sehr zum Nachteil des deutschen Hochschulsystems ausfällt, sind doch schon derzeit deutliche Wettbewerbselemente zwischen den Universitäten feststellbar. Sie zeigen sich - abgesehen von den in ihrer Aussagekraft eher zweifelhaften, heute verbreiteten Rankings in Zeitschriften u.a. - im Berufungswesen beim Versuch, etablierte Hochschullehrer aus anderen Universitäten zu gewinnen, aber auch in der Bilanz der jeweiligen Hochschule an Drittmitteln, Sonderforschungsbereichen und Graduiertenkollegs, im Abschneiden der Universitätsmitglieder bei der Vergabe überregionaler Forschungspreise und gleichwertiger Auszeichnungen sowie - bezogen auf die Lehre - in signifikanten Wanderungsbewegungen von Studierenden höherer Semester zwischen den Universitäten, wie sie etwa in Heidelberg seit Jahren in bezug auf Physik und Rechtswissenschaft zu beobachten sind und dazu führen, daß diese Fakultäten entgegen dem allgemeinen Trend einen "positiven Schwund", d.h. eine deutliche Zunahme der Studierenden nach der Zwischenprüfung zu verzeichnen haben.

Diese schon vorhandenen Wettbewerbsansätze sollten im Interesse der Leistungsfähigkeit der Universitäten in einem schwieriger gewordenen Umfeld weiter ausgebaut werden. Dafür bieten sich vor allem die Profilbildung innerhalb der und zwischen den Universitäten, die stärker an Leistungs- oder Erfolgskriterien zu orientierende Zuweisung der staatlichen Ressourcen sowie die Einrichtung zentraler Pools für die projektbezogene Vergabe derjenigen Ressourcen innerhalb der Hochschulen an, die über eine Grund- oder Mindestausstattung hinausgehen.
4.2 Profilbildung
Bemühungen der Universitäten, ihre jeweiligen Stärken in Forschung und Lehre deutlicher herauszustellen und dadurch zu einer Profilbildung im deutschen Hochschulwesen beizutragen, sind angesichts knapper werdender Ressourcen und im Interesse klarer Akzentsetzung und Schwerpunktbildung unverzichtbar. Darüber besteht auf der Ebene der Spitzenorganisationen wie Wissenschaftsrat und Hochschulrektorenkonferenz Einigkeit. In dieselbe Richtung zielen die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bereitgestellten besonderen Förderinstrumente wie Sonderforschungsbereiche, Forschungsschwerpunkte, Forschergruppen und Graduiertenkollegs: sie haben schon bisher dazu beigetragen, daß solche Profile jedenfalls in Ansätzen erkennbar wurden. Aufgabe der Universitäten in den kommenden Jahren wird es sein, auf diesem Wege gezielt weiterzugehen und durch interne Evaluation auch in drittmittelfernen Bereichen namentlich der Geistes- und Sozialwissenschaften dafür zu sorgen, daß unter der Vielzahl der an der jeweiligen Universität vertretenen Disziplinen diejenigen hervorgehoben werden, die zu Recht den Anspruch auf Spitzenforschung erheben können.

Das hierfür geeignete Verfahren muß - auch an der Universität Heidelberg - noch entwickelt werden, ein Vorhaben, bei dessen Realisierung nicht nur wegen des an den Hochschulen vorherrschenden, bei der Bewältigung solcher Aufgaben schwierig zu handhabenden Kollegialprinzips, sondern auch wegen der Bedeutung der Profilbildung für die künftige Resourcenverteilung Schwierigkeiten zu erwarten sind. Angesichts der Knappheit der verfügbaren Mittel ist eine Schwerpunktbildung unverzichtbar. Da außerdem die Gefahr besteht, daß das undifferenzierte Festhalten an der Einheit von Forschung und Lehre in der heutigen Massenuniversität tendenziell eine Nivellierung zur Folge haben könnte, führt an derartigen Bemühungen in Zukunft kein Weg vorbei.

4.3 Erfolgsorientierte Ressourcenverteilung
Über den Übergang zur leistungs- (oder richtiger: erfolgs)orientierten Mittelverteilung innerhalb der Universität Heidelberg, wie er ab 1994 durch Erlaß des MWF für die Mittel aus dem Universitätskonsolidierungsprogramm vorgeschrieben wurde, informierte schon der letzte Rechenschaftsbericht (S. 23 ff.). Die Kriterien für diese auch 1995 zur Anwendung kommende Verteilungsmethode wurden zwischenzeitlich fortgeschrieben, um die bisher gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen und der an dem bisherigem Vorgehen geübten Kritik Rechnung zu tragen. Die wesentlichen Änderungen betreffen die Berücksichtigung auch der Zwischenprüfungen neben den Abschlußprüfungen im Verhältnis 40:60 sowie die Erhöhung der Regelstudienzeit durch einen Fremdsprachenzuschlag von 2 Semestern in den Fächern, die das Erlernen einer Fremdsprache voraussetzen (vgl. die Modellbeschreibung in Anlage 11/1-11/2). Das vom Verwaltungsrat beschlossene modifizierte Modell wurde zuvor mit den Dekanen ausführlich erörtert. Die Ergebnisse der neuen Berechnung und bisherigen Reaktionen der Fächer und Fakultäten lassen vermuten, daß die Benachteiligung der Geisteswissenschaften, darunter insbesondere der kleinen Fächer, eliminiert und damit den Einwendungen angemessen Rechnung getragen wurde.

Von nicht geringerer Bedeutung ist - nicht zuletzt aus der Sicht der Universität Heidelberg - der Übergang zur erfolgsorientierten Ressourcenverteilung zwischen den Landesuniversitäten. Bekanntlich trägt die seit Jahrzehnten übliche Verteilungspraxis des Landes, die die "klassischen" Universitäten Freiburg, Tübingen und Heidelberg auf eine einheitliche Stufe stellt, den zwischen ihnen bestehenden, z.T. erheblichen Unterschieden nur unzureichend Rechnung (vgl. dazu näher Rechenschaftsbericht 1992/93 S. 84 ff.). So liegt die Zahl der Heidelberger Studierenden und Absolventen um durchschnittlich mehr als 20% über derjenigen von Freiburg und überschreitet auch diejenige von Tübingen in nicht unerheblichem Maße. Auch bei der Einwerbung von Drittmitteln, einem weiteren relevanten Verteilungsfaktor, hat Heidelberg einen deutlichen Vorsprung vor den beiden genannten in erster Linie vergleichbaren Landesuniversitäten (vgl. dazu Anlage 7/2). Zumal wenn das MWF von den Universitäten erwartet, zur Förderung der Anreize für ein stärker erfolgsorientiertes Verhalten der Hochschullehrer und zur Steigerung des Qualitätswettbewerbs die Ressourcen zunehmend nach erfolgsbezogenen Indikatoren wie Absolventenzahl und Drittmitteleinwerbung zu verteilen, kommt es auch seinerseits nicht umhin, diesem Maßstab auf Landesebene zur Durchsetzung zu verhelfen, um die nötige Deckungsmasse bereitzustellen.

Die Diskussion über die erfolgsorientierte Ressourcenverteilung auf Landesebene sollte daher, dem Beispiel von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz folgend, bald auch in Baden-Württemberg begonnen werden, auch wenn die Auswirkungen eines solchen Vorgehens auf den Verteilungsschlüssel zwischen den neun Landesuniversitäten derzeit schwer absehbar sind. Dafür spricht vor allem auch der Umstand, daß ein derartiges Vorgehen, zumal wenn es sich mit einer weitgehenden Globalisierung der Universitätshaushalte verbindet, zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit und der Entwicklungsmöglichkeiten der Universitäten beitragen kann, da es den Hochschulen aktiven Einfluß auf die Höhe der Finanzzuweisungen einräumt. Das lehrt das Beispiel der Niederlande, wo die erfolgsorientierte Verteilung der staatlichen Ressourcen im Verhältnis zwischen den Hochschulen schon seit vielen Jahren praktiziert wird.
4.4 Poolbildung und befristete Ressourcenzuweisung
Zu den erforderlichen Strukturentwicklungen innerhalb der Hochschulen, die dazu bestimmt sind, der Mittelknappheit Rechnung zu tragen, dem effizienten Ressourceneinsatz zu dienen und zur Steigerung des Qualitätswettbewerbs in der Forschung beizutragen, gehört auch die Bildung zentraler Forschungspools aus Personalstellen und finanziellen Mitteln, aus denen der Verwaltungsrat auf Antrag Ressourcen befristet für bestimmte Forschungsvorhaben zuweist. Da zusätzliche Mittel für diese Pools aus dem Landeshaushalt nicht zu erwarten sind, setzt die Poolbildung voraus, daß die Hochschulen im Zuge der Wiederbesetzung freiwerdender Lehrstühle dazu übergehen, die Zuweisung der dem Lehrstuhlinhaber dauernd zur Verfügung gestellten Ressourcen auf diejenige Grundausstattung zu beschränken, die erforderlich ist, um die laufenden Aufgaben in der Lehre zu erfüllen und bei Anträgen auf zusätzliche Forschungsmittel konkurrenzfähig zu sein, die darüber hinausgehenden Mittel und Stellen aber zentralen Pools zuzuführen sind. Aus diesen Pools soll die für die Forschung benötigte Zusatzausstattung künftig projektgebunden nach entsprechender Evaluation für bis zu fünf Jahren auf Antrag vergeben werden.

Über die Notwendigkeit dieser Veränderung der Haushaltsstruktur besteht in überregionalen Wissenschaftsgremien des Landes wie dem Landesforschungsbeirat und der Landesrektorenkonferenz im Grundsatz Einigkeit. Freilich wird auch nicht verkannt, mit welchen Schwierigkeiten die Durchsetzung eines solchen Finanzierungsmodells verbunden sein wird. Auch wenn man absieht von dem Erfordernis einheitlichen Vorgehens an den deutschen Universitäten, um die Befristung der Zusatzausstattung auch in Berufungs- und Erhaltungsverhandlungen gegen konkurrierende Angebote anderer Universitäten durchhalten zu können, liegen die Probleme vor allem in der Definition der erforderlichen Grundausstattung der Lehrstühle. Angesichts der unterschiedlichen Bedürfnisse in den verschiedenen Disziplinen kann sie nur fachbezogen festgelegt werden. Mit dieser Frage wird sich demnächst eine gemeinsame Arbeitsgruppe von MWF und Landesrektorenkonferenz anhand der von den Universitäten hierzu eingeholten Stellungnahmen befassen.