Mitteilung der SPD-Bundestagsfraktion vom 19. Juli 1995
nach Gesprächen in Moskau mit den Spitzen des "Dienstes für Auslandsaufklärung" (SWR) des "Föderalen Sicherheitsdienstes" (FSB) und des "Ministeriums für Atomenergie" (Minatom) in Sachen Münchner Plutonium-Deal erklärt der SPD-Bundestagsabgeordnete Gernot Erler, Vorsitzender des Unterausschusses für Abrüstung und Rüstungskontrolle des Deutschen Bundestages: Der Münchner Plutonium-Skandal wird zu einer Belastung für die deutsch-russischen Beziehungen. Die Verantwortung dafür trägt die Bundesregierung, die Chancen zur definitiven Aufklärung der Vorgänge nicht nutzt und dabei zumindest fahrlässig nachvollziehbare russische Interessen schädigt. Das Rückgrat jeder Legitimation des BND und anderer beteiligter Dienste für die gefährliche Aktion vom August 1994 ist die Behauptung, ein existierender russischer Schwarzmarkt für waffenfähiges Plutonium sei auszuforschen und abzuschöpfen gewesen. Die zuständigen russischen Behörden weisen diese Unterstellung kategorisch zurück. Seit 1993 wurden in Rußland 22 Fälle illegalen Umgangs mit radioaktivem Material festgestellt und inzwischen sind 19 Personen in diesem Zusammenhang strafrechtlich belangt worden. In keinem Fall ist dabei aber waffenfähiges Plutonium im Umlauf gewesen. Nach den Münchner Vorgängen vom August 1994 ordnete Präsident Jelzin eine Kontrolle sämtlicher militärischer und ziviler Institutionen an, die mit Plutonium arbeiten. Diese im September und Oktober letzten Jahres durchgeführte Überprüfung ergab, daß nirgends ein Verlust von Plutonium festgestellt wurde. Seitdem geht die russische Regierung davon aus, daß die in München aufgetauchten 363 Gramm waffengrädigen Plutoniums nicht aus einer russischen Quelle stammen. Technisch sähe sich die russische Seite in der Lage, die Herkunft des Plutoniums zweifelsfrei zu klären. Unmittelbar nach den Münchner Vorgängen hatte auch Staatsminister Schmidbauer zugesagt, zu diesem Zweck eine Probe der sichergestellten Konterbande nach Moskau zu überstellen. Auf die Einhaltung dieses Versprechens wartet man in Moskau bis heute - mit abnehmendem Verständnis. Deshalb hat sich vor sechs Wochen das "Ministerium für Atomenergie" (Minatom) schriftlich an Innenminister Kanther gewandt, um erneut die Überlassung einer 3-Gramm-Probe des Münchner Plutoniums zu erbitten. Die Bundesregierung, die das Plutonium in Karlsruhe und Los Alamos (USA) untersuchen ließ, ist dieser Bitte bisher unerklärlicherweise nicht nachgekommen. Dies ist ein schwerer Fehler. Die verweigerte Kooperation mit Moskau berechtigt zu der Vermutung, daß die Bundesregierung in Wirklichkeit an einer zweifelsfreien Klärung der Herkunft des Plutoniums nicht interessiert ist. Die russischen Medien haben wiederholt auf die negativen Folgen der ungeklärten Münchner Vorgänge hingewiesen, vor allem für die russische zivile Atomindustrie, deren internationale Interessen durch die Schwarzmarkt-Behauptung Schaden leiden.
Nach meinen Gesprächen in Moskau habe ich folgende Fragen zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung gerichtet: