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Daimler-Benz News vom 2.4.1995

Das Vario Research Car

Denkmodell und Forschungslabor für
die Automobiltechnik von morgen

Hannover, 02. April 1995
Bei der Konzeption der neuesten Auto-Studie der Daimler-Benz-Forschung stand ein Aspekt im Vordergrund, der beim Autokauf zunehmend an Bedeutung gewinnt: Variabilität. Das Vario Research Car (VRC) ist ein anpassungsfähiger Begleiter für alle Lebensbereiche, der die individuelle Mobilität noch vielseitiger und noch attraktiver macht. Mercedes-Benz möchte mit diesem Forschungswagen weitere Denkanstöße für die Automobilentwicklung der Zukunft geben und die Reaktionen des Publikums auf das intelligente Vario-Konzept testen.

Forschung bedeutet Zukunft. Forscher arbeiten heute für die Welt von morgen. Sie haben Visionen und überprüfen deren Zukunftschancen. Sie haben Ideen und testen deren technische Machbarkeit - im Labor und in der Praxis.

Forschung für das Automobil von morgen ist eine Herausforderung besonderer Art. Wer hier die Weichen in die richtige Richtung stellen möchte, muß nicht nur die neuesten technischen Entwicklungen sorgfältig analysieren, sondern vor allem auch gesellschaftliche Trends erkennen und ein Gespür für die Wünsche der Kunden von morgen entwickeln.

So gingen die Wissenschaftler und Ingenieure von Daimler-Benz in enger Zusammenarbeit mit ihren Kollegen von Mercedes Advanced Design bei der Entwicklung ihrer neuesten Autostudie vor. Das Vario Research Car soll gleichermaßen Technologieträger und Denkmodell sein: Es fungiert einerseits als rollendes Forschungslabor, in dem zukunftsweisende Fahrzeugsysteme getestet werden, und dient andererseits als Studie für ein völlig neues Pkw-Konzept, das die Fachleute jetzt erstmals der Öffentlichkeit vorstellen und im Dialog mit den Kunden weiterentwickeln wollen. Deshalb bittet Mercedes-Benz Autofahrer und Autofahrerinnen um ihre Meinung: Die Hinweise des Publikums werden zeigen, ob ein solches Vario-Konzept akzeptiert wird und ob der Forschungswagen eines Tages zum Serienauto avanciert.

Ein Auto - vier Konzepte

Der zweitürige Kompaktwagen, den Daimler-Benz auf der Hannover Messe der Öffentlichkeit vorstellt, ist ein wahrer Verwandlungskünstler. Ein paar Handgriffe genügen, und das Vario-Auto verändert sein Aussehen grundlegend: Der einteilige Karosserieaufbau, der aus Dach, Seitenwand und Heckpartie besteht, läßt sich abheben und nach Belieben gegen eine andere Variante austauschen. So wird aus dem Kombi ein Cabrio oder aus der Limousine ein Pick-Up - ganz wie es seinem Besitzer gefällt oder wie es für die jeweilige Transportaufgabe am besten ist.

Insgesamt stehen bei dem Forschungsfahrzeug vier Karosserieaufbauten zur Auswahl:

Die Limousine zeichnet sich durch ein sportlich-elegantes Karosseriedesign aus, das vor allem durch das coupéähnliche Heck geprägt wird. Im Innenraum bietet diese Variante vier Passagieren Platz, deren Bewegungsfreiheit für einen Kompaktwagen dieser Größenklasse überdurchschnitlich ist. Die beiden Rücksitzlehnen lassen sich vollständig umklappen, so daß eine ungehinderte Durchlademöglichkeit besteht.

Beim Kombiaufbau fallen die großen Scheibenflächen auf, die als gläsernes Band vom Steilheck bis in die Seitenflanken gezogen wurden. Hinter der Heckklappe verbirgt sich ein geräumiges Gepäckabteil, dessen Ladevolumen sich durch die umklappbaren Rücksitze zusätzlich vergrößern läßt. So entsteht eine ebene Ladefläche, die vom Heck bis an die Rückenlehnen der Vordersitze reicht. Für den Dachtransport von Surfbrett, Snowboard oder Fahrrädern ist die Kombivariante mit einer Dachreling ausgestattet.

Durch den formschönen Pick-Up-Aufbau verwandelt sich das Kompaktauto zum Kleintransporter mit zwei Sitzplätzen. Nach dem Umklappen der Fondsitze läßt sich der Aufbau auf die Basiskarosserie aufsetzen und schließt den Innenraum hinter den Vordersitzen ab. Auf der Ladefläche finden allerlei sperrige Gegenstände Platz - vom Kleinmöbel bis zur Zimmerpflanze, vom Fahrrad bis zum Schlauchboot. Die rückwärtige Bordwand läßt sich öffnen und erleichtert somit das Beladen des Pick-Ups.

Die Cabrio-Variante des Vario Research Car bietet Platz für vier Passagiere. Das Faltverdeck läßt sich manuell bedienen und verschwindet unter einer Klappe fast vollständig im Heckabteil des Fahrzeugs. Als Sonderausstattung ist eine Verdecksteuerung vorgesehen.

Umbau binnen weniger Minuten

Die automobile Verwandlung vom Kombi zum Cabrio oder vom Pick-Up zur Limousine dauert nur wenige Minuten und ist fast so einfach wie das Aufsetzen des Hardtops beim SL-Roadster. Die Karosserieaufbauten finden an acht Befestigungspunkten sicheren Halt. Hier sorgen Spezialverschlüsse und starke Elektromagnete für eine feste Verbindung zwischen Aufbau und Karosserie. Zur Entriegelung genügt es, Hebel an den Türholmen und am oberen Rahmen der Frontscheibe zu betätigen. Den Rest besorgen sechs Servomotoren. Sie entriegeln die Verschlüsse und heben den Aufbau leicht an, so daß er sich abnehmen läßt.

Leichtbau mit High-Tech-Material

Der anschließende Umbau des Vario Research Car ist binnen weniger Minuten abgeschlossen. Servicetechniker haben dabei buchstäblich leichtes Spiel, denn die Aufbauten bestehen aus dem High-Tech-Werkstoff CFK - aus kohlefaserverstärktem Kunststoff, der bereits im Flugzeug- und Rennwagenbau Furore feiert. Gegenüber dem Leichtbaumaterial Aluminium ist CFK nochmals um rund 25 Prozent leichter und zeichnet sich überdies durch hohe Festigkeit aus. Das bedeutet: Die Aufbauten bringen jeweils nur 30 bis 50 Kilogramm auf die Waage und bieten trotz ihres Leichtgewichts ein hohes Maß an Stabilität und Crash-Sicherheit.

Mietstationen für die Aufbauvarianten

Zur Vision des variablen Autos hat Mercedes-Benz ein ebensolches Vertriebskonzept entwickelt. Damit Autobesitzer die Variabilität ihres Wagens voll und ganz nutzen können, sollen sie die verschiedenen Dachaufbauten jederzeit nach Lust und Laune wechseln. Dabei könnten ihnen spezielle Servicestationen helfen, in denen stets eine größere Anzahl von Aufbauten vorrätig ist. Während die Autobesitzer bei einer Tasse Kaffee warten, wechseln Techniker die Karosserieaufbauten aus und stellen das "neue" Auto binnen weniger Minuten zur Weiterfahrt bereit. Wie lange die Kunden die jeweilige Aufbauvariante nutzen, bleibt ihnen überlassen. Das Mietsystem soll genauso flexibel sein wie das Forschungsauto selbst. So besteht durchaus die Möglichkeit, daß Cabrio-Fans den "Oben-Ohne"-Aufbau einen ganzen Sommer lang mieten oder daß Autofahrer die Kombiversion nur für den Großeinkauf am Wochenende auf ihren Wagen montieren lassen und sich am darauffolgenden Montag wieder eine andere Version aussuchen.

Freitzeitautos stark im Kommen

Die Konzeptidee des Vario Research Car ist freilich mehr als nur eine Vision. Die Ingenieure von Daimler-Benz folgen mit dieser Studie den Ergebnissen von Kundenbefragungen und den Zukunftsprognosen der Sozialwissenschaftler. Das Automobil spielt in diesen Zukunftsszenarien auch weiterhin eine wichtige Rolle, doch verändern sich seine Aufgaben und Funktionen in einer immer freizeitorientierteren Gesellschaft. Werden privat genutzte Personenwagen heutzutage überwiegend für die Fahrt zur Arbeit und für Einkaufsfahrten genutzt, so gewinnt der Freizeitaspekt künftig stark an Bedeutung - vor allem bei jungen und junggebliebenen Menschen. Konkret: Hat der Freizeitaspekt heute einen Anteil von rund 30 Prozent an der privaten Pkw-Nutzung, so wird sich diese Zahl in den kommenden Jahren mehr als verdoppeln. Ausflugsfahrten und Sportaktivitäten dominieren bei der zukünftigen Freizeitgestaltung mit dem Auto:

- Fährt heute etwa jeder sechste Pkw-Besitzer mit seinem Wagen am Samstag oder Sonntag ins Grüne, so gönnen sich in einigen Jahren bereits rund 30 Prozent der Autofahrer dieses automobile Wochenendvergnügen.
- Nutzen heute etwa zehn Prozent aller Sportfans den eigenen Wagen als Transportmittel, so werden es in Zukunft bereits mehr als doppelt soviele sein.

Diese gesellschaftlichen Tendenzen beeinflussen die Automobilentwicklung. Mehr denn je sind Funktionalität und Variabilität gefragt, um in Zukunft die verschiedenen Transportaufgaben und Mobilitätswünsche der Menschen zu erfüllen. So entstand die Idee des Vario Research Car. Während herkömmliche Personenwagen je nach Karosseriekonzeption nur ein begrenztes Einsatzspektrum bieten, ist das Forschungsfahrzeug ein wahres Multi-Talent: Es ist gleichermaßen Freizeitauto wie Kleintransporter und eignet sich ebenso als Familienlimousine oder als Urlaubswagen.

Mehr noch: Neben seiner Funktionalität bietet das Vario Research Car jede Menge Fahrspaß - ein Aspekt, den vor allem freizeitorientierte Menschen zu schätzen wissen.

Jede Variante mit eigenständigem Charakter

Die gesamte Technik des Forschungswagens befindet sich unter der Basiskarosserie, aus der jedoch erst durch Kombination mit einem der vier Aufbauten ein eigenständiges und voll einsatztaugliches Automobil entsteht. Die Aufbaumodule sind so gestaltet, daß sie sich nicht nur fugenlos an das Grundmodell anpassen, sondern auch die Trennstellen zwischen beiden Karosseriekomponenten geschickt kaschieren. Dies war eine besondere Herausforderung für die Fachleute der Abteilung Advanced Design, die sich bei Mercedes-Benz schon heute über die Formen der Automodelle von übermorgen Gedanken machen. An den Seitenpartien wird deutlich, wie Forschungsingenieure und Designer die schwierige Aufgabe gemeinsam lösten: Hier entwickelten sie für Aufbau und Basiskarosserie spezielle form- und kraftschlüssige Verbindungselemente, die eine paßgenaue Montage ermöglichen. Die Außenhaut des Aufbaus schiebt sich über innenliegende Führungselemente und paßt sich genau an die tiefliegende Bordkante der Karosserie an, die als Gestaltungselement vom Frontscheinwerfer bis zum Rücklicht reicht. Dadurch bilden Aufbau und Basiskarosserie eine optische Einheit.

Auch die Seitenscheiben schließen ohne B-Säule bündig an die Türen an, setzen deren Linienführung nach hinten fort und verstärkten somit den Eindruck, die Karosserie bestehe aus einem Stück. Dank diesem intelligenten Gestaltungskonzept hat jede Variante einen eigenständigen Charakter. Ob Cabrio, Pick-Up, Limousine oder Kombi - das Forschungsfahrzeug verrät niemals seine wahre Identität als "Baukasten-Auto".

Zentralstecker im Heck

Damit Aufbau und Basiskarosserie nicht nur optisch eine Einheit bilden, sondern auch technisch in direkter Verbindung stehen, haben die Forscher einen Zentralstecker entwickelt, der für die notwendigen Kontakte zum elektrischen Bordnetz sorgt. Er befindet sich an jedem Aufbau und paßt in eine spezielle Steckdose im Heckabteil des Forschungswagens. Nachdem beide Karosseriebereiche verkabelt sind, erkennt die Bordelektronik des Forschungsfahrzeugs anhand der Steckkontakte automatisch, welcher Aufbau montiert wurde und stellt die notwendigen Verbindungen her. Diese elektronische Identifizierung ist notwendig, weil jede Aufbauvariante eigene Versorgungsansprüche an die Fahrzeugtechnik stellt: Beim Kombi müssen beispielsweise Heckscheibenwischer und Waschanlage aktiviert werden, bei der Limousine benötigen heizbare Heckscheibe und Kofferraumbeleuchtung eine Verbindung zum 12-Volt-Netz, während beim Cabrio die Elektromotoren des Faltverdecks nach Steuerung und Energie verlangen.

Die Karosserie des Forschungswagens sieht übrigens nicht nur gut aus, sie hat auch technische Qualitäten. Stichwort Aerodynamik: Der Luftwiderstandsbeiwert (cW-Wert) des fahrbereiten Vario Research Car beträgt nur 0,28. Die strömungsgünstige Karosserie ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für günstigen Kraftstoffverbrauch und niedrige Abgasemissionen.

Innenraumentwicklung im Ergonomielabor

Den Innenraum des Vario Research Car haben die Ingenieure von Daimler-Benz gemeinsam mit den Designern im Ergonomielabor entwickelt. Hier steht ihnen ein neuartiges Meßverfahren zur Verfügung, das die Bewegungen der Insassen in dreidimensionalen Bildern festhält: die Stereo-Videometrie. Autofahrer und Autofahrerinnen verschiedener Körpergröße dienten den Wissenschaftlern dabei als Testpersonen und nahmen für jeweils rund 20 Minuten hinter dem Lenkrad eines Modells des Forschungswagens Platz. Videokameras zeichneten auf, welche Bewegungsfreiheit die Probanden bei individueller Sitzeinstellung haben und ob sie die Bedienelemente an der Instrumententafel bequem erreichen können. Wichtig war auch die Analyse des Bewegungsverhaltens beim Ein- und Aussteigen, die den Designern wichtige Hinweise für den Neigungswinkel der Frontscheibe und den Öffnungswinkel der Türen lieferte.

Aufgrund der Video-Beobachtung entwickelten die Ingenieure auch einen besonders komfortablen Klappmechanismus für die Vordersitze, der Fondpassagieren des zweitürigen Wagens das Ein- und Aussteigen wesentlich erleichtert. Anstrengende Handarbeit ist hier nicht mehr erforderlich. Ein Druck auf die Schalter an den Seitenflanken der Sitzlehnen genügt, um die Vordersitze mittels Elektromotoren weit nach vorn zu fahren und vorzuklappen.

Platzangebot à la C-Klasse

Auch bei der Maßkonzeption des Innenraums nahmen die Fachleute ihren Auftrag ernst, zukunftsgerechte Lösungen zu entwickeln. So orientierten sie sich an den Prognosen über das Größenwachstum der Bevölkerung, die seit einigen Jahren auf Expansionskurs ist. Als Maßstab diente der sogenannte 95-Prozent-Mann, dessen Körperhöhe lediglich von fünf Prozent aller Männer übertroffen wird. 1975 war dieser 95-Prozent-Typ noch 1,86 Meter groß, im Jahre 2005 wird er bereits die Marke von 1,93 Meter überragen. Das bedeutet: Im Vario Research Car kann es sich dieser "Riese" sowohl auf den Vordersitzen als auch im Fond bequem machen - der Innenraum ist konsequent auf das Gardemaß des zukünftigen 95-Prozent-Mannes ausgelegt. Keine Frage also, daß auch kleinere Autofahrerinnen und Autofahrer in dem Forschungsfahrzeug ein Optimum an Komfort und Bewegungsfreiheit genießen können. Der Abstand zwischen den Passagieren auf den Vordersitzen und den Mitfahrern im Fond beträgt 80 Zentimeter und liegt damit auf dem Niveau einer Limousine der C-Klasse.

Das Interieur eines modernen Automobils muß jedoch nicht nur geräumig und komfortabel sein, es muß auch optisch etwas zu bieten haben. Die Designer erfüllen diesen Anspruch unter anderem durch eine attraktive Form- und Farbgestaltung. Saphirblau, Mint- und Eukalyptusgrün lauten die Bezeichnungen der drei Farbtöne, die für den Innenraum ausgewählt wurden. Sie harmonieren gut miteinander und schaffen eine helle, freundliche Atmosphäre, die zu einem sportlich-eleganten Auto wie dem Vario Research Car paßt.

Cockpit mit Farbdisplay

Für die Instrumententafel des Vario Research Car haben die Ingenieure ein neuartiges Bedien- und Anzeigekonzept entwickelt, das die Möglichkeiten der modernen Mikroelektronik zur Entlastung des Autofahrers nutzt. Alle wichtigen Hinweise erscheinen in Form von Symbolen und Texthinweisen auf zwei Farbdisplays, die im Cockpit und im oberen Teil der Mittelkonsole ihren Platz finden:

Auf dem Primärdisplay im Cockpit zeigt die Bordelektronik alle Informationen an, die der Fahrer während der Fahrt benötigt. Über einen speziellen Drehschalter an der Mittelkonsole kann er aus dem Menü am Bildschirmrand die einzelnen Hinweise abrufen. Dazu gehören nicht nur Drehzahl, Bordcomputer und Tageskilometerzähler, sondern auch die Streckenempfehlungen des bordeigenen Navigationssystems. Eine Besonderheit ist die sogenannte Sicherheitsanzeige: Sie besteht aus einer grünen Kreisfläche, wenn der Autofahrer das vorgeschriebene Tempolimit und den richtigen Sicherheitsabstand einhält. Fährt er schneller oder rückt er seinem Vordermann dichter auf die Stoßstange, verändern sich Farbe und Form des Symbols - aus dem Kreis werden dann je nach Tempoüberschreitung oder Abstand eine gelbe Ellipse oder ein rotes Dreieck. Für diese symbolische Anzeige, die auf einen Blick alle wichtigen Informationen enthält, ist die Bordelektronik mit Abstandsradar, Traktionskontrolle und anderen sicherheitsrelevanten Fahrzeugsystemen gekoppelt und wertet deren Meßdaten kontinuierlich aus. Außerdem tastet der Mikrocomputer mittels Videokamera die Verkehrsschilder am Straßenrand ab und erfährt auf diese Weise, ob Tempolimit, Überholverbot oder andere Streckenbeschränkungen bestehen. Auf Wunsch lassen sich die Verkehrsschilder auch auf das Display projizieren, so daß sie der Autofahrer stets vor Augen hat. Die Stör- und Warnmeldungen, die auf dem Primärdisplay erscheinen, sind stets mit einem konkreten Handlungshinweis gekoppelt. So erfährt der Autofahrer beispielsweise nicht nur, daß die Kühlmitteltemperatur zu hoch, sondern bekommt auch gleich einen Hinweis zur ersten Hilfe: "Stop. Motorhaube auf, Heizung an."

Die Informationen auf dem Sekundärdisplay können Fahrer und Beifahrer über den Drehsteller in der Mittelkonsole abrufen. Das Besondere an dieser Schaltung: Während der Fahrt ist die Auswahl zusätzlicher Funktionen für den Fahrer blockiert, während der Beifahrer ungehinderten Zugang zu allen Sekundärinformationen hat. Auf diese Weise wollen die Ingenieure verhindern, daß der Fahrer vom Verkehrsgeschehen abgelenkt wird. Die Benutzererkennung erfolgt auf haptischem Wege: Der Computer "spürt", ob der Drehschalter in der Mittelkonsole mit der linken (Beifahrer) oder mit der rechten Hand (Fahrer) bedient wird. Auf dem Sekundärdisplay erscheinen neben der Uhrzeit die Bedien- und Einstellhinweise für Klimaanlage und Navigationssystem. Zusätzlich lassen sich Bedienungshinweise für verschiedene Fahrzeugsysteme aufrufen. Beim Tankstellenstopp erfährt der Autofahrer per Display außerdem, ob Reifenluftdruck, Motorölstand, Kühlmittelstand, Wischwasserstand und Lichtanlage in Ordnung sind.

Prototypentwicklung am Computer

Bei der Entwicklung des intelligenten Bedien- und Anzeigekonzepts gingen die Ingenieure und Psychologen der Daimler-Benz-Forschung neue Wege. Statt eine Vielzahl von Labormustern und Prototypen herzustellen, konzipierten sie Displayanzeigen, Menüführung und Bedienung ausschließlich am Computer. Stichwort: Virtuelles Prototyping. Mit Hilfe leistungsfähiger Großrechner lassen sich komplexe Fahrzeugsysteme künftig fast vollständig im Labor entwickeln. Die dabei gespeicherten Daten dienen anschließend zur Herstellung erster Muster für die Praxiserprobung, die als Bestätigung der Laborergebnisse unverzichtbar ist. Allerdings: Vergingen bisher oft Tage oder Wochen, bis an den Prototypen Änderungen vorgenommen waren und die Tests fortgesetzt werden konnten, so lassen sich solche Modifikationen am Computer binnen weniger Stunden vornehmen. Die positiven Effekte des neuen Verfahrens: Weniger teure Prototypen und deutlich kürzere Entwicklungszeiten.

Das Bedien- und Anzeigekonzept des Vario Research Car haben die Stuttgarter Fachleute nicht nur am Computer entwickelt, sondern auch getestet. Mehrere Dutzend Autofahrer und Autofahrerinnen probierten die neuartige Menüsteuerung am Rechnerbildschirm aus und gaben den Ingenieuren Hinweise für die weitere Optimierung des Anzeigesystems. Die Praxistests der nächsten Monate sollen zeigen, wie zuverlässig die Ergebnisse der virtuellen Prototypen-Entwicklung sind.

Rollendes Forschungslabor

Neben dem innovativen Karosseriekonzept wollen die Wissenschaftler und Ingenieure der Daimler-Benz-Forschung in dem Vario Research Car auch andere zukunftsweisende Systeme für die Automobile von morgen und übermorgen testen. Das Entwicklungs- und Erprobungsspektrum reicht vom adaptiven Fahrwerk bis zum automatischen Abstandswarner, vom neuartigen Lenksystem bis zum elektronischen Verkehrslotsen.

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