© 1995 by Christo & Luebbe Verlag
Cullen kauft das Blatt, bemerkt, daß der "Artikel" nur 3 cm breit und 7 cm lang ist; kein Ruhmesblatt für eine Zeitung, auf solch kleinem Raum so viele Fehler zu machen. Läufer ist dennoch aufgebracht. Er werde der Bundestagspräsidentin nahelegen, das Frühstück abzusagen. Woher solche falschen Informationen stammen, wissen beide nicht. Herr Läufer vermutet die Quelle beim "Egomanen" Christo, Cullen hingegen bei Frau Muschter, die die Ausstellung organisiert. Vielleicht hat Rita Süssmuth selbst etwas erzählt. Auf jeden Fall wollte Läufer in erster Linie Frau Süssmuth schützen und erst in zweiter Linie das Projekt.
Cullen bemerkt, daß bisher kein Schaden entstanden sei und schlägt folgendes Vorgehen vor: Solange niemand bei ihm anruft und nach dem Frühstück fragt, sei alles in Ordnung. Wenn aber Fragen kommen sollten, werde erneut darüber beraten.
Bei einem "Architekturforum" in Potsdam vereinbart Cullen mit Staatssekretär von Loewenich, daß ein Gespräch zwischen Christo und Irmgard Schwaetzer in der Zeit zwischen dem 11. und 13. November stattfinden soll.
Christo und Jeanne-Claude bei Bauministerin
Irmgard Schwaetzer,
13. November 1992
Foto: Wolfgang Volz
Christo und Jeanne-Claude wollen wissen, mit welcher Prozedur die Genehmigung erteilt werden kann. Frau Süssmuth nimmt an, daß alles im ältestenrat entschieden wird, ist sich aber nicht sicher, da es einen solchen Fall in der Geschichte des Bundestags noch nicht gegeben hat. Sie wird diese Frage prüfen bzw. prüfen lassen.
Es wird auch versucht, etwas näheres über die "Zeitschiene" in Erfahrung zu bringen. Vermutlich wird sich alles verzögern. Die Wettbewerbsentscheidung kann wohl erst im Februar bekanntgegeben werden; danach gäbe es eine Feinabstimmungsphase. In der Folge, frühestens im Sommer 1993, könne Planfeststellung, Bebauungsplanantrag usw. gestellt werden. Auch werde die Finanzierung zu klären sein. Das heißt: Mit einem Baubeginn könne vor Mitte 1994 nicht gerechnet werden und eine Genehmigung für Christos Verhüllungsprojekt würde erst Mitte 1993 benötigt.
Zuletzt wird über den Inhalt der Ansprache diskutiert, die Frau Süssmuth bei der Eröffnung der Ausstellung "Christo in Berlin" Anfang Januar halten wird. Der genaue Termin für die Eröffnung kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgestellt werden. Idealerweise soll sie mit der Zusammenkunft der Jury des Wettbewerbs "Umbau des Reichstags zum Deutschen Bundestag" zusammenfallen, denn man erhofft sich von den Jurymitgliedern eine Förderung des Projekts.
Nach dem Frühstück begrüßt Frau Süssmuth die neuen Ehrenbürger Berlins, Helmut Kohl, Mikhail Gorbatschow und - per Vertreter - Ronald Reagan.
Christo und Jeanne-Claude besichtigen, zusammen mit Josy Kraft, die Akademie-Ausstellungsräume im Marstall. Am Nachmittag nehmen sie an der Grundsteinlegung des neuen Flügels des Jüdischen Museums teil, wo sie sich mit Bausenator Wolfgang Nagel und Kultursenator Ulrich Roloff-Momin treffen. Das Christo-Team geht zu einer Versteigerung in der "Tränenhalle", für die Christo einige Werke spendiert hat, und anschließend zum Abendessen bei Roland Specker.