Das Rätsel des weltweiten Amphibiensterbens

In den letzten Jahrzehnten nimmt der Rückgang von Fröschen und Kröten, Salamandern und Molchen globale Ausmaße an. Aber nur teilweise sind die Ursachen bekannt: Straßenbau, der Wanderwege abschneidet, sowie Versiegelung und Drainierung der Landschaft, wodurch Laichgebiete verlorengehen.

Die amerikanischen Biologen Andrew R. Blaustein und David B. Wake, die seit Jahrzehnten Verhalten, Ökologie und Fortpflanzung von Froschlurchen erforschen, verdächtigen weitere subtilere Umweltveränderungen. Ihrer Ansicht nach werden auch sie weitgehend vom Menschen verursacht. Wie sie im Juni-Heft von "Spektrum der Wissenschaft" berichten, fanden sie einen deutlichen Schwund von Populationen selbst in abgelegenen Gebirgsgegenden in den westlichen Vereinigten Staaten. Sie wurden stutzig, als etwa der Kaskadenfrosch (Rana cascadae) und die Nordkröte (Bufo boreas), die sie seit Jahren im Freiland untersuchen, dort kaum noch Nachwuchs haben.

Die Nachforschung ergab, daß befruchtete Eier massenhaft zugrunde gingen. Im Labor allerdings, wo die Forscher die Gründe experimentell eingrenzen wollten, schlüpften normal viele Kaulquappen. Der erste Verdacht der Wissenschaftler war, daß sich die Wasserqualität - möglicherweise durch Luftverschmutzungen und sauren Regen - verschlechtert habe. Doch Wasser aus dem natürlichen Lebensraum der Amphibien schadete den Embryonen nicht.

Vielmehr hatten die Brutexperimente ein überraschendes Ergebnis: Besonders solche nordamerikanischen Amphibien-Arten, deren Eier von Natur aus wenig vor der genetisch schädlichen UV-B-Strahlung der Sonne geschützt sind, vermögen ihren Bestand nicht zu erhalten. Dies bestätigten neuerliche Versuche in den natürlichen Laichgewässern: Wurden die Eier betroffener Arten mit einer für ultraviolettes Licht undurchlässigen Folie abgeschirmt, schlüpften etwa doppelt so viele Kaulquappen.

Nach Meinung von Blaustein und Wake ist ein bestimmtes Enzym im Spiel, das bei der Reparatur beschädigter Erbmoleküle mitwirkt: Die bedrohten Arten verfügen über weniger davon als andere Lurche aus denselben Regionen, die sich weiterhin normal vermehren.

Bislang filterte die Ozonschicht in der Stratosphäre die lebensfeindliche UV-Strahlung in starkem Maße. Die Prognosen, daß diese Schicht vor allem durch freigesetzte Kühlmittel (Fluorchlorkohlenwasserstoffe oder kurz FCKWs) dünner werde, erhalten somit alarmierende Bestärkung.

Doch sind die Hintergründe des weltweiten Amphibiensterbens damit längst noch nicht geklärt. Beispielsweise verschwinden auch manche Regenwald-Bewohner, deren Lebensräume scheinbar noch intakt sind und die sich oder ihren Laich nie der Sonne aussetzen. Offenbar sind die Wechselwirkungen, die dieser uralten und eigentlich nach Evolutionsmaßstäben zähen Wirbeltiergruppe neuerlich zusetzen, noch sehr viel komplexer, als Umweltforscher bisher annahmen.

Den vollständigen Artikel von Andrew R. Blaustein und David B. Wake finden Sie in der Juni-Ausgabe 1995 von Spektrum der Wissenschaft auf den Seiten 58 bis 63.


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