Inzwischen sind die Sonden zum Teil schon mehr als zwanzig Jahre unterwegs und haben dabei rund acht Milliarden Kilometer - das 50fache des Abstandes Erde-Sonne - zurückgelegt. Weil viele ihrer Meßgeräte noch immer in Betrieb sind, kommt ihnen nach Erfüllung ihrer ursprünglichen Mission eine weitere wichtige Aufgabe zu: die äußersten, noch unerforschten Bereiche des Sonnensystems zu erkunden.
Die Sonden haben zwar schon längst die Bahnen der sonnenfernsten Planeten hinter sich gelassen, den interstellaren Raum aber noch nicht erreicht. Die Einflußsphäre der Sonne reicht nämlich erheblich weiter als bis zu Neptun oder Pluto: Von unserem Zentralgestirn geht ein steter Strom geladener Partikel - zumeist Elektronen und Protonen - aus, der wie ein Wind das Sonnensystem durchdringt. Die wegströmenden Teilchen und das solare Magnetfeld, das sie mit sich tragen, erzeugen im umgebenden interstellaren Medium eine riesige tropfenförmige Blase. Diese Heliosphäre hüllt das gesamte Planetensystem ein und markiert letztlich den Einflußbereich der Sonne.
Wo sich dessen Grenze - die Heliopause - befindet, ist noch unbekannt. Aus indirekten Beobachtungen und bekannten physikalischen Gesetzmäßigkeiten lassen sich jedoch einige Eigenschaften dieser schalenförmigen Zone erschließen. Zwei Wissenschaftler, die schon seit Jahren auf diesem Gebiet forschen, J. R. Jokipii von der Universität von Arizona und Frank B. McDonald von der Universität von Maryland, berichten in der Juni-Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft" über den aktuellen Kenntnisstand.
Man könnte vermuten, daß der Strom der Sonnenwindteilchen mit zunehmender Entfernung von seiner Quelle nach und nach abflaut und sich schließlich mit dem interstellaren Medium aus Gas und Staub vermischt, die Heliosphäre also kontinuierlich in den interstellaren Raum übergeht. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der Übergang erfolgt abrupt.
Durch die fortwährende Expansion nimmt zwar die Teilchendichte im Sonnenwind stetig ab, bis schließlich der Druck so gering geworden ist, daß er demjenigen des lokalen interstellaren Mediums das Gleichgewicht hält und es nicht weiter verdrängen kann. Weil aber die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Teilchenstromes größer ist als die Schallgeschwindigkeit in ihm, flaut der Wind nicht allmählich ab, sondern staut sich plötzlich sehr heftig an einer Stoßfront.
Ein vergleichbares Phänomen sind Auffahrunfälle: Nimmt der Fahrer eines schnellen Wagens zu spät wahr, daß die vor ihm befindlichen Fahrzeuge abgebremst haben oder gar schon stehen, prallt er unweigerlich auf sie auf.
In wenigen Jahren dürften die vier Raumsonden die Heliopause erreichen und dann Informationen über die Stoßfront und den dahinterliegenden interstellaren Raum zur Erde funken. Pioneer 10 sollte bis zum Jahre 2000 funktionstüchtig bleiben, und Voyager 2 hat sogar noch genügend Energievorrat, um mindestens bis 2015 zu funktionieren.
Aber selbst damit ist die Odyssee der Raumfahrzeuge noch nicht beendet. Als eine Art Flaschenpost werden sie weiter mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 000 Kilometern in der Stunde durch den interstellaren Raum rasen. Für den Fall, daß die Sonden irgendwann einmal von fremden Zivilisationen aufgespürt werden sollten, halten sie eine Botschaft der Erdlinge bereit: Pioneer 10 trägt eine Plakette, die über die Position unseres Heimatplaneten und die Gestalt und Größe des Menschen informiert; und an der Außenseite von Voyager 2 ist eine Langspielplatte befestigt, die eine Auswahl irdischen Liedguts sowie natürliche und künstliche Geräusche enthält - vom Wellenschlag des Meeres bis zum sanften Geräusch eines Kusses. Auf der Plattenhülle ist in Zeichensprache eine Gebrauchsanweisung eingraviert. Eine Grammophonnadel zum Abspielen liegt bei.
Den vollständigen Artikel von J. R. Jokipii und Frank B. McDonald finden Sie in der Juni-Ausgabe 1995 von Spektrum der Wissenschaft auf den Seiten 50 bis 56.