aus
den Veröffentlichungen des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg
Dokumentation und Restaurierung der mittelalterlichen Glasfenster
aus St. Dionys in Esslingen
Das Vorhaben
Im Chor der evangelischen Stadtkirche St.
Dionys in Esslingen befindet sich der wohl bedeutendste Bestand an
mittelalterlichen Glasfenstern in Süddeutschland. Die erhaltenen
280 Scheiben verteilen sich auf sechs Chorfenster. Sie wurden im späten
13. Jahrhundert geschaffen. Es handelt sich um folgende Fenster:
- Das Stainhövel-Fenster, nach dem
dargestellten Stifter-Ehepaar Stainhövel bezeichnet, auch
Bibelfenster genannt, weil darin Personen und Szenen aus dem Alten
und Neuen Testament dargestellt sind. (Im Bereich des Maßwerkes
sind neuere Scheiben eingesetzt).
- Das Märtyrer-Fenster, genannt nach den
Darstellungen von Heiligenmartyrien, die nach 1945 zusammen mit dem
Rest eines Passionszyklus und der Erscheinung Christi hier
untergebracht wurden.
- Das Marien-Fenster,
mit Szenen aus dem Marienleben (42 Felder ergänzt durch 14
Nachschöpfungen nach 1945).
- Das Christus-Fenster,
bestehend aus 26 Feldern mit Leben-Christi-Darstellungen und 26
Ornamentfeldern, die aus der Esslinger Franziskanerkirche 1899 in
die Dionyskirche verbracht wurden.
- Das Credo- und Tugenden-Fenster; hier sind
Scheiben aus vier verschiedenen Gruppen (1950) zusammengefügt.
Sie bestehen aus Darstellungen von Aposteln, Tugenden, Plato und
Aristoteles, Tieren und Ornamentscheiben (letztere ebenfalls aus der
Esslinger Franziskanerkirche 1899 umgesetzt).
- Das Marien-Fenster; dieses Fenster zeigt
Szenen aus dem Leben Mariens.
Ursprünglich war die jetzt
stattfindende Konservierung und Restaurierung der Glasfenster von St.
Dionys angesichts der großen Belastungen, die die
Kirchengemeinde mit der Renovierung der Außenfassade tragen muß,
nicht geplant. Und dies aus gutem Grund. Denn die mittelalterlichen
Scheiben waren seit 1978 durch eine Schutzverglasung
den aggressiven Umwelteinflüssen weitestgehend entzogen. Die
damit zusammenhängende Erwartung, nichts unternehmen zu müssen,
wurde zudem durch die Untersuchungen des Fraunhofer Institutes in Würzburg
bestärkt, die eine hohe Wirksamkeit der Außenschutzverglasung
nachgewiesen hatte.
Im Zuge der Außeninstandsetzung
stellte man jedoch fest, daß die Maßwerkstreben
der Chorfenster besorgniserregend schwankten. Es mußte
gehandelt werden. Die statischen Schäden an den Streben konnten
aber nur in Verbindung mit einem kompletten Ausbau der alten Scheiben
behoben werden. In diesem Zusammenhang mußte zunächst nach
dem tatsächlichen Zustand der Fenster gefragt werden.
Würden sie den Aus- und Wiedereinbau
unbeschadet überstehen? Wo und wie sollte man diesen Bestand
lagern, der zu den größten mittelalterlichen
Glasbeständen in der Bundesrepublik zählt? Müßten
gegebenenfalls Konservierungsarbeiten durchgeführt werden?
Sehr bald wurde deutlich, daß die
Scheiben im Vergleich zueinander sehr unterschiedliche Zustände
aufwiesen. Die an der Untersuchung Beteiligten waren sich rasch einig,
daß eine Planung notwendiger Konservierungsarbeiten ohne eine
detaillierte Untersuchung nicht möglich ist.
Dabei wurden sechs repräsentative Scheiben ausgewählt. Für
die Auswahl dieser Scheiben waren folgende Kriterien bestimmend:
- Standort (Exposition am Bauwerk),
- Position im Fenster,
- Erhaltungszustand,
- Zykluszugehörigkeit.
Zum letztgenannten Punkt erhielten wir
wichtige Hinweise von Prof. Rüdiger Becksmann ( "Corpus
Vitrearum Medii Aevi", Freiburg). Die sechs Scheiben wurden in
der Werkstatt des Landesdenkmalamtes zusammen mit Peter Berkenkopf
(Dombauhütte Köln) dann genauer untersucht, um eine
Grundlage für ein differenziertes Vorgehen an
den einzelnen Scheiben bzw. Fenstern zu erarbeiten.
Für das Landesdenkmalamt war es zudem
auch von großem Interesse, zu erfahren, auf welche Weise der
gegenwärtige Zustand und eventuell anstehende Maßnahmen zu
dokumentieren sind, zumal auf diesem Gebiet ein großer
Nachholbedarf gegenüber anderen Restaurierungsfachrichtungen
besteht. Aus diesem Grunde wurde exemplarisch an diesen sechs Scheiben
eine sehr detaillierte Dokumentationsform erarbeitet und angewandt.
Damit soll sichergestellt sein, daß auch im Hinblick auf spätere
Wartung und Pflege der Glasmalereien alle Informationen nachvollzogen
und überprüft werden können.
Zur Finanzierung der
gesamten Maßnahme tragen neben der Kirchengemeinde, die
Denkmalstiftung der Bundesrepublik Deutschland, die Denkmalstiftung
Baden-Württemberg und das Landesdenkmalamt bei.
Die Dauer der Restaurierung
und der damit verbundenen Dokumentation wird mindestens zwei
Jahre betragen.
[Untersuchung und Befund] -
[Das Maßnahmenkonzept]
Die hier vorgestellten Scheiben stehen im Mittelpunkt der
Internet-Ausstellung:
"Von der Ordnung der
Welt"
Mittelalterliche Glasmalereien
Text: Peter Berkenkopf (Köln), Otto Wölbert
(Stuttgart) - Redaktion: W.M. Werner - 15. Dezember 1997
Für Anregungen oder Fragen:
Wolfgang M. Werner wmwerner@compuserve.com
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